Lot 96: LE SUEUR (LESUEUR), EUSTACHIUS (EUSTACHE)

LE SUEUR (LESUEUR), EUSTACHIUS (EUSTACHE)
1616 Paris - ebenda 1655 (zugesch.)
Alpheus und Arethusa
Öl auf Leiwand (altdoubl.), rückseitig auf dem Keilrahmen altes Wachssiegel, weiterhin altes Papierettikett mit handschriflichem Künstlerhinweis ‚Eustachius le Sueur Geb. zu Paris 1617 *+ daselbst 1655 (38 Jahre)', unten und frontseitig auf dem Rahmen nochmals beschriftet ‚E. le Sueur', 132 cm x 91 cm, Rahmen.
Das selten dargestellte Thema entstammt einer Textquelle aus den Metamorhosen des Ovid. Der Flussgott Alpheus verfolgt die Nymphe Arethusa, die er innig liebt. Kurz bevor er sie erreicht, umhüllt die zu Hilfe gerufene Diana, Göttin der Jagd, die Nymphe in eine dunkle Wolke und verwandelt sie in eine Quelle. Wörtlich heißt es:
‚[...] Tauch' ich mich nackt in die Flut. Doch wie ich sie schlug und heranzog, Gleitend auf jegliche Art, und warf ausgreifende Arme, Nahm ich wahr in der Mitte des Stroms ein verdächtiges Rauschen, Und schnell trat ich geschreckt an den Rand des näheren Ufers. ,Flieh' doch nicht, Arethusa erscholl es aus seinen Gewässern, Flieh' doch nicht!' scholl neu der heisere Ruf des Alpheios. Ohne Gewand, wie ich war, entfloh ich - am anderen Ufer Lag das Gewand. Darum drängt glühender noch der Verfolger, Und weil nackend ich war, erschien ich ihm desto bereiter. So lief eilend ich fort, so drängte mich eilend der Unhold [...] Doch auf die Länge den Lauf aushalten, an Kräften ihm ungleich, Konnte ich nicht; er war der langen Beschwerde gewachsen. Dennoch eilt' ich dahin durch Feld und bewaldete Berge, Über Gestein und Klippen hinweg, wo nirgends ein Weg war. Hinter mir stand die Sonn', und ich sah, wie ein Schatten sich langhin [...] Hilf', so rief ich erschöpft von der Flucht ,Diktynna'! Er fasst mich. Stehe der Deinigen bei, der Begleiterin, welcher den Bogen Oft zu tragen du gabst und im Köcher verschlossene Pfeile!' Jene erhört mein Flehn, und eine der dichtesten Wolken Wirft sie über mich hin. Rings späht nach der Dunkelumhüllten Tappend der Strom und forscht ratlos um den bergenden Nebel. Zweimal ging er betört um den Ort, wo Schutz mir geworden; Zweimal rief er: ‚Io, Arethusa, io, Arethusa!' Wie war da mir Armen zu Mut! Wohl so, wie dem Lamme, Wenn es der Wölfe Geheul um das hohe Gehege vernommen, Oder dem Hasen im Busch, der aus dem Verstecke der Hunde Feindliche Schnauzen erblickt und den Leib nicht wagt zu bewegen. Jener jedoch weicht nicht, weil weitere Spuren der Füße Nirgends hinaus er gewahrt. Er bewacht das Gewölk und die Stelle. Da fällt frostiger Schweiß auf meine belagerten Glieder, Und ringsum von dem Leib entrinnen mir bläuliche Tropfen. Wo ich setze den Fuß, da wallt ein See; aus dem Haupthaar [...].'
Literatur: Suchier, Reinhard, E. Klußmann und A. Berg: Ovids Werke, deutsch in den Verweisen der Urschrift, Berlin 1910, V 572-641. Ovid, Metamorphosen V, 572-641.
Eustache Le Sueur lernte bei Simon Vouet in Paris. Bereits im Alter von 20 Jahren überließ ihm sein Meister den an ihn gerichteten Auftrag acht Bilder nach Motiven des Traums des Polyphilo zu malen (eines erhalten im Museum zu Rouen). In der Galerie des Marschalls de Crequi in Paris, welche zeitgenössische Gemälde der Italiener
Caravaggio, Reni, Cesari und Carracci enthielt, fertigte Le Sueur Studien für seine großformatigen Kompositionen. Einen zentralen Einfluss auf sein Oeuvre hatte neben seinem Lehrer Simon Vouet auch Nicolas Poussin, der den Maler während eines Parisaufenthaltes förderte. Le Sueur arbeitete für Ludwig XIV. und Anna von Österreich; für das Hotel Lambert de Thorigny schmückte er das ‚Cabinet de L'amour' unter anderem mit dem Deckenbild ‚Venus erbittet von Jupiter die Vergötterung des Aeneas' und fünf Bildern aus der Geschichte Amors aus, die sich heute im Louvre in Paris befinden. 1645 erhielt er den Auftrag für die Kartause in Paris eine Folge von 22 Gemälden zu fertigen, welche das Leben und Wirken des Heiligen Bruno schilderten. Auch diese Arbeiten beherbergt heute das Louvre in Paris. Le Sueur zählt zu den massgebenden französischen Künstlers seiner Zeit. Seine Kunst ist ‚[...] bezeichnend für die klassischen Neigungen des Stils Louis XIII und des beginnenden Louis XIV. Sie hat unter anderem [...] den glänzenden dekorativen Stil Louis XIV vorbereitet'.