Lot 734: Petrus Comestor: Historia scholastica. Köln, Winters, um 1475

Petrus Comestor. Historia scholastica. 304 nn. Bl. 2 Spalten. 42 Zeilen. Got. Typ. Schriftraum: 21,0 x 13,8 cm. Format: 29,3 x 21 cm. Mit 6zeiliger blauer Initiale "R" mit rotem Federwerk, Hunderten von 3- bis 10zeiligen Lombarden in Rot und Rubrizierung. Brauner Kalbslederband d. Z. (an Gelenken etwas brüchig, Kapitale verstärkt, nur wenige Fehlstellen im Lederbezug, aber gesprenkelt wurmstichig) über schweren Holzdeckeln mit reicher Stempel- und Filetenprägung und 2 geschmiedeten Schließen (ohne die Bügel) sowie 4 metallenen Eckstücken (eines nur zur Hälfte vorhanden). Köln, Konrad Winters, um 1475.
Hain-Copinger 5530. GKW 32170. Goff P-461. Proctor 1176. Pellechet 3876. Polain 3089. BMC I, 247. BSB-Ink P-303. CIBN P-224. IBP 4318. Sajó-Soltész 2615. Madsen 3160. Finger 778. Oates 661. ISTC ip00461000. Hauptwerk des aus Troyes stammenden Theologen Petrus Comestor (1100-1178). Die "Historia Scholastica" ist eine im Hoch- und Spätmittelalter weit verbreitete didaktische Chronik, die mit der alttestamentlichen Schöpfungsgeschichte anhebt und bis zur neutestamentlichen Apostelgeschichte reicht. Zu den wichtigsten Quellen des Comestor literaturae sive librorum, wie er schon zu Lebzeiten genannt wurde, gehörten die historischen Werke des Flavius Josephus und die Synoptiker unter den Evangelisten.
Die genaue Datierung des Drucks ist ungewiss, jedoch grenzt das vorliegende Exemplar die Datierung näher ein. Der British Museum Catalogue datiert mit Fragezeichen ins Jahr 1479: "Before 20 September, 1479?", der Census folgt dem. Der Gesamtkatalog schreibt "um 1475", während ISTC zwei Jahreszahlen angibt: "not after 14 Apr. 1477; also recorded as about 1475". Auf Blatt 304r hat der Rubrikator sein Werk nach der letzten Druckzeile "Explicit historia scolastica" in roter Tinte datiert: "1477". Somit ist ein Terminus antequem festgelegt, der zumindest die erste Datierung von 1479 widerlegt.
Immerhin handelt es sich sicher um den vierten Druck nach der ersten Ausgabe von Zainer in Augsburg 1473. Es folgen Ausgaben von Ketelaer und de Leempt in Utrecht (1473) und eine Straßburger um 1474. - Die ersten und letzten Blätter mit wenigen Wurmlöchlein und leicht fingerfleckig, die ersten beiden Blätter mit kleinen ersetzten Eckausrissen unten rechts, die letzen 20 Blätter leicht nur an äußeren Rändern etwas wasserfleckig und dadurch leicht brüchig, letztes Blatt mit winzigem Eckausriss unten. Sonst kaum Einrisse oder Gebrauchsspuren, sehr sauber und frisch, gedruckt auf besonders starkem, festen Papier. Verso letztes Blatt ein hs. Besitzvermerk eines Vikars (eines "Altaristen"): "Liber iste pertinet D. Nicolas Tichmann in Berneborgh utraque beneficiatus fuit". Auf Blatt 200v findet sich ein weiterer ordentlicher Eintrag in Sepia: "Iste liber pertinet domino Nicolao Tichman in berneborg altariste". Blatt 102 ist weiß und vorhanden.
Der prachtvolle zeitgenössische Kettenband zeigt auf dem Vorderdeckel einen vierfachen Filetenspiegel mit zahlreichen Stempeln: in den Ecken außen das Lamm Gottes im Rund, in den Bahnen Rautenstempel mit Lilie und Vogel, im nächsten Register ein Adler, und im innersten wieder Adler und Pelikan als Raute. In der Mitte wiederholen sich die Stempel der Außenbahnen. Auf dem Rückdeckel finden sich dieselben Stempel in zwei durch Fileten getrennte Register und im Mittelspiegel mit gekreuzten Doppelfileten. Die schwere Eisenkette ist im festen Griff angebracht und läuft über 7 geschmiedete Glieder, an denen ein großer Ring hängt (Durchmesser 4 cm).